Die Cognitive Load Theory
Oder: Irgendwann ist es einfach zu viel

Damit du einen Onlinekurs gehirnfreundlich gestalten kannst, musst du erstmal wissen, wie unser Gehirn eigentlich lernt und worauf es beim Lernen ankommt.

In diesem Blogartikel möchte ich dir eine weitere, zentrale, Theorie vorstellen: Die Cognitive Load Theory.

Wenn du den letzten Blogartikel über das Drei-Speicher-Modell nicht gelesen hast, empfehle ich dir, dort mit dem Lesen anzufangen. Dann hast du die Grundlagen und weißt, worum es hier genau geht.


Möchtest du lieber hören als lesen?

Zu diesem Blogartikel gibt es auch eine Podcast-Folge mit dem gleichen Inhalt.


Es fasziniert mich immer wieder, zu welchen unglaublichen Sachen unser Gehirn fähig ist. Welche brillanten Einfälle mit dieser Gewebestruktur schon hervorgebracht wurden, welche berührende Geschichten und kreative Ideen immer wieder aufs neue entstehen.


Der Teil unseres Gehirns, in dem wir bewusst über Informationen nachsinnen, wird auch das Arbeitsgedächtnis - oder auch Kurzzeitgedächtnis - genannt.

Und genau darum geht es in diesem Blogartikel.



Das Arbeitsgedächtnis hat ein Platzproblem.

In das Arbeitsgedächtnis passen nur etwa 3-9 Informationen gleichzeitig rein.

Das kannst du relativ leicht selbst feststellen.

Wenn ich dich zum Beispiel bitte, dir die Zahlenfolge: 753281 zu merken, wird das noch relativ gut gehen.

Aber bei 436178325842 wirst du wahrscheinlich jetzt nach dem Lesen schon nicht mehr alles behalten haben. Außer du bist trainiert im Merken von Zahlen und nutzt einen Trick. (Den verrate ich dir am Ende des Blogartikels)


Eine zentrale Theorie in der Lehr-Lernforschung beschäftigt sich genau mit diesem Phänomen.



Die Cognitive Load Theory

Die Cognitive Load Theory stammt von John Sweller und Paul Chandler.


Die zentralen Aussagen dieser Theorie sind:

  • Das Arbeitsgedächtnis hat eine begrenzte Kapazität
  • Es gibt beim Lernen drei Arten von kognitiver Belastung
    • Intrinsic Cognitive Load
    • Extraneous Cognitive Load
    • Germane Cognitive Load



Der Intrinsic Cognitive Load

Der Intrinsic Cognitive Load bezieht sich auf das die einzelnen Informationen im Lernmaterial. Hier geht es um die Verarbeitung der neuen Informationen. J

e mehr Elemente gleichzeitig verarbeitet werden müssen, desto höher ist der Intrinsic Cognitive Load. Wenn beispielsweise das Thema gerade sehr komplex ist, oder es etwas sehr neues für die Lernenden ist, ist der Intrinsic Cognitive Load recht hoch.

Wenn es dagegen etwas ist, wo schon viel Vorwissen da ist oder wo die einzelnen Informationen häppchenweise nach einander verarbeitet werden können, ist diese Art der kognitiven Belastung geringer.



Extraneous Cognitive Load

Der Extraneous Cognitive Load bezeichnet die kognitive Belastung, die für den Lernprozess selbst irrelevant ist.

Hier geht es beispielsweise darum, sich in der Lernumgebung zurecht zu finden, ggf. die wichtigen von den unwichtigen Informationen zu trennen oder herauszufinden, was eigentlich genau zu tun ist.

Also all das, was rund um das eigentliche Lernen herum passiert.


Und wie du vielleicht schon vermutest: Bei der Gestaltung eines Onlinekurses solltest du darauf achten, dass diese Art der kognitiven Belastung so gering wie möglich ist.
Denn - da das Arbeitsgedächtnis nur eine begrenzte Kapazität hat, blockiert die lern-irrelevante kognitive Belastung natürlich Platz im Arbeitsgedächtnis.

Mit der Folge, dass wir weniger Kapazität dafür haben, und mit dem Kursthema an sich auseinander zu setzen.


Den Extraneous Cognitive Load kannst du so gering wie möglich halten, indem du

  • den Kurs übersichtlich gestaltest, dass sich die Teilnehmenden möglichst leicht zurecht finden. Dazu gehört auch ein einheitliches Design der Kursmaterialien. Oder dass du gut lesbare Schriften und Farben verwendest.
  • klare Arbeitsanweisungen gibst und sie gut durch den Kurs führst, damit sie immer genau wissen, was zu tun ist
  • unnötige Informationen aus dem Kurs streichst oder herauslässt. Unnötig meint hier all das, was die Teilnehmenden nicht brauchen, um ihr Lernziel zu erreichen.
  • Die Informationen so aufbereitest, dass sie leicht zu konsumieren sind.



Germane Cognitive Load

Die dritte Art der Kognitiven Belastung, der Germane Cognitive Load, wird auch lernbezogene kognitive Belastung genannt.
Hier geht es schließlich ums verstehen und darum, anhand der neuen Informationen passende Schemata zu bilden, die dann wiederum im Langzeitgedächtnis gespeichert werden.

Je höher diese lernbezogene kognitive Belastung ist, desto besser kann das Thema dann auch gelernt und verstanden werden.

(Wenn du dir den Blogartikel über die ICAP Theorie schon durchgelesen hast: Das ist mehr oder weniger der selbe Effekt, der dort durch die Verarbeitungstiefe dargestellt wird. )

Je höher also die Verarbeitungstiefe - bzw. der Germane Cognitive Load - desto besser der Lernerfolg.



Warum erzähle ich dir das alles?

Von der Cognitive Load Theory lassen ich ein paar wichtige Empfehlungen ableiten, wie du deinen Onlinekurs möglichst gehirnfreundlich gestalten kannst.


1. Überfordere die Lernenden nicht mit zu viel auf einmal. Gerade wenn das Thema neu oder sehr komplex ist, ist weniger definitiv mehr, weil das Arbeitsgedächtnis einfach nicht so viel auf einmal prozessieren kann. Ruf dir dabei gerne immer wieder ins Gedächtnis, dass die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses bei etwa 5-9 Einheiten auf einmal liegt. Nicht mehr. Manche Forscher gehen sogar nur von 3-5 Elementen aus.


2. Wenn deine Kursteilnehmer*innen wenig Vorwissen mitbringen benötigen sie mehr Gehirn Kapazität, um die Informationen zu verarbeiten und zu verstehen. Gleichzeitig sollten die Lernmaterialien für Leute mit hohem Vorwissen nicht zu leicht sein, da sich das auch negativ auf den Lernerfolg auswirken kann. Versuche also die Komplexität deiner Lernmaterialien an das Vorwissen deiner Kursteilnehmer*innen anzupassen, um sie weder zu überlasten noch zu unterfordern.


3. Wenn du ein komplexes Thema hast und gleichzeitig Lernende, für die das noch recht neu ist, kannst du zentrale Aspekte daraus beispielsweise erst einmal herausnehmen und separat betrachten.

So kannst du zum einen einer Überlastung des Arbeitsgedächtnisses vorbeugen und zum anderen sind die Lernenden dann schon mit diesen Inhalten vertraut, wenn sie sie später im kompletten Kontext sehen.


4. Durch eine gute Gestaltung deines Onlinekurses kannst du der Überlastung des Arbeitsgedächtnisses vorbeugen. Dazu zählt zum einen wie vorhin schon angesprochen die Gestaltung und Aufbereitung deiner Materialien, aber auch eine gute Begleitung durch den Kurs.



Merk-Tricks der Gedächtniskünstler

Wie versprochen erzähle ich dir zum Schluss dieser Episode noch von zwei Tricks, wie sich Gedächtniskünstler beispielsweise schier endlose Zahlenfolgen merken können.

Zwei Tricks möchte ich dir hier vorstellen:

Schauen wir uns die Zahlenfolge 287610

Die ist zwar relativ kurz, dass du sie dir wahrscheinlich auch so noch recht gut merken kannst, aber als Beispiel taugt die ganz gut.

Zum einen kannst du diese 6 Zahlen in sogenannte Chunks aufteilen und gleichzeitig bündeln.

Da werden dann zum Beispiel aus 287610

die zwei Chunks 287 610. Unser Gehirn speichert das dann nicht mehr als 6 Zahlen, sondern als zwei Häppchen. Und wenn du dir das auch noch laut vorsagst, bekommst du noch die Wortmelodie dazu. Und es wird dir wahrscheinlich schon viel einfach fallen, dir diese beiden Häppchen zu merken.

Das war der eine Trick, der aber natürlich auch irgendwann an der Kapazität des Arbeitsgedächtnisses ankommt.

Die zweite Methode, geht noch einen Schritt weiter.

Und zwar überlegst du dir dafür - natürlich vorab - für jede Zahl von 0 bis 9 ein passendes Bild, das diese Zahl Symbolisiert. Die 1 ist bei mir beispielsweise das Einhorn. Und die 5 eine Hand.

Und wenn du das richtig gut trainiert hast, erzeugt dein Gehirn wenn du eine Zahlenfolge bekommst, dann eine passende Bildergeschichte dazu.

Und Geschichten können wir uns relativ leicht merken und anhand der Reihenfolge und Bilder auch gut wieder aus dem Gehirn abrufen. Die Geschichte bleibt nämlich nicht im Arbeitsgedächtnis liegen, sondern wird im Langzeitgedächtnis gespeichert.

Ich gebe dir auch hier gerne wieder ein Beispiel.

Für die Zahlenfolge 287610 könnte die Geschichte folgendermaßen lauten.

Versuch am besten, dir das möglichst bildlich vor deinem inneren Auge vorzustellen.

Ein Schwan (=2) stürzt vom Himmel ab und kracht dabei in einen Schneemann (=8). Die beiden taumeln, stürzen und haben so viel Schwung, dass sie an allen sieben Zwergen (=7) vorbei kullern.

Danach stoßen sie unsanft mit einer freundlichen Hexe (=6) zusammen.

Die stößt vor lauter Schreck einen hohen Schreie aus.

Davon erschrick ein nebenstehendes Einhorn (=1) so sehr, dass es vor Schreck ein Ei (=0) legt.


Na? Könntest du die Geschichte jetzt nacherzählen?

Vermutlich schon. Und wenn du die jetzt noch ein paar Mal vor deinem inneren Auge widerholst, wird sie dir auch ziemlich gut im Gedächtnis bleiben.

Gedächtnisweltmeister haben das perfektioniert.
Die haben manchmal für alle Zahlen von 0 bis 1000 so ein passendes Bild und zusätzlich schon feste Umgebungen für ihre Bildergeschichten, die sie dann nur noch Stück für Stück mit der Geschichte füllen müssen.

Das erfordert natürlich auch ziemlich Vorbereitung, Übung und Training.

Solche Tricks eignen sich gut, um sich beispielsweise einen Code, einen Pin oder die Telefonnummer von jemandem zu merken.

Für ein nachhaltiges, tiefes Lernen sind sie jedoch nur bedingt hilfreich, weil es hier nicht ums Verstehen geht, sondern lediglich ums erinnern.



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