Mehr Aktion bitte! So hilft dir das ICAP Modell dabei, dass deine Online-Kurs-Inhalte im Gedächtnis bleiben.

Kannst du dich noch daran erinnern, worum es in dem Tutorial genau ging, das du zuletzt angeschaut hast? Und wie sieht es mit einem Video aus, das du vor ein oder zwei Monaten gesehen hast?

Ich kann mich nicht mehr genau dran erinnern, was ich dieses Jahr schon alles an Tutorials und Erklärvideos angeschaut habe.

Aber wie ich vor über 20 Jahren mit meinem Papa zusammen meine erste Harfe gebaut habe – das weiß ich noch ganz genau.

Aber woher kommt das? Eine Antwort gibt das ICAP Modell.



Warum bleiben manche Sachen viel besser im Gedächtnis als andere?

Das ICAP Modell von Chi und Wylie gibt eine mögliche Antwort auf die Frage: Warum können wir uns manche Sachen besser merken als andere?

Die ICAP Theorie sagt, dass Informationen unterschiedlich tief verarbeitet werden.

Je tiefer eine Information verarbeitet wird, umso leichter ist es später, sich wieder daran zu erinnern.



Was meint die Verarbeitungstiefe im ICAP Modell

Die Verarbeitungstiefe ist eine Beschreibung dafür, wie viel in deinem Gehirn los ist, wenn es eine neue Information bekommt.

Chi und Whylie unterscheiden in ihrem Modell vier Stufen der Verarbeitungstiefe:

Interaktiv, Konstruktiv, Aktiv  und Passiv


Die vier Stufen des ICAP Modells

Wenn du einfach nur ein Video anschaust oder diesen Text liest, dann nimmst du die Informationen passiv auf. Diese Infos werden am wenigsten tief von deinem Gehirn verarbeitet.


Die nächste Stufe bilden aktive Lerntätigkeiten.

Würdest du dir jetzt zu dem Text Notizen machen, oder bei einem Video nicht nur zuschauen, sondern mitschreiben, dann steigt die Verarbeitungstiefe an. Das merkst du auch daran, dass du dich viel mehr konzentrierst, als wenn du nur zuhörst.


Konstruktive Lerntätigkeiten finden dann statt, wenn du etwas tust, das über die Informationen hinausgehst, die dir gerade gegeben werden. Zum Beispiel, wenn du die Infos aus diesem Text mit einem anderen Text vergleichst. Oder wenn du dir überlegst, wie du das, was du gerade erfahren hast, für dein Thema anwenden kannst.

Wenn du die Infos aus dem Text nicht einfach nur wiederholst und speicherst, sondern etwas damit machst. Das passiert zum Beispiel auch dann, wenn ich die Infos aus dem Text mit einer Grafik visualisiere.

ICAP Modell nach Chi und Wylie 2014

Die Verarbeitungstiefe von Informationen ist am höchsten, wenn wir etwas interaktiv tun – das heißt, wenn wir uns zusammen mit anderen mit den Informationen auseinandersetzen, indem wir

  • darüber diskutieren
  • uns gegenseitig Fragen stellen und beantworten
  • gemeinsam versuchen, das neu Gelernte auf eine konkrete Situation zu übertragen oder an einem konkreten Beispiel anzuwenden

Je tiefer etwas verarbeitet wird, desto besser lassen sich die Informationen später wieder abrufen – desto besser ist also das Lernergebnis.

Tieferes Verarbeiten führt also nach der ICAP Theorie zu besserem Verstehen und besseres Verstehen führt zu leichterem Erinnern.



Was bedeutet das ICAP Modell für deinen Onlinekurs?

Die Empirische Forschung konnte die ICAP Theorie dahingehend bestätigen, dass je intensiver wir uns mit einem Thema auseinandersetzen, desto besser später auch die Lernleistung ist.

Natürlich (!) bedeutet eine interaktive Lernaktivität nicht unbedingt sofort eine bessere Lernleistung.

Wir alle kennen wahrscheinlich aus der Schulzeit die Gruppenarbeiten, in der alle versucht haben, sich um die Arbeit zu drücken, sich niemand wirklich mit dem Thema auseinandersetzen wollte, und am Ende 1-2 aus der Gruppe sich soweit aufgerafft haben, dass am Ende wenigstens irgendein Ergebnis da war.  

Das ist auch eine interaktive Lernaktivität – aber eine, bei der kaum Verarbeitungstiefe entsteht.

Es kommst also immer auch darauf an, wie es konkret umgesetzt wird.

Du kannst deinen Onlinekurs aber so gestalten, dass du deine Kursteilnehmer*innen dabei unterstützt, die Informationen tiefer zu verarbeiten.

Damit hilfst du ihnen dabei, deine Kursinhalte besser im Gedächtnis zu behalten und von deinem Kurs bestmöglich zu profitieren.



Folgerungen aus dem ICAP Modell:

Was kannst du tun, damit die Teilnehmenden die Inhalte deines Online-Kurses besser im Gedächtnis behalten?

Mache deine Kursteilnehmer*innen darauf aufmerksam, dass sie den besten Erfolg mit deinem Online-Kurs dann haben, wenn sie sich nicht nur alles anhören, anschauen oder durchlesen, sondern sich aktiv damit zu beschäftigen.

Du kannst sie im Laufe des Kurses darüber hinaus unterstützen, ins TUN zu kommen.

Dafür kannst du beispielsweise folgendes machen:

  • Stelle immer wieder Fragen (z.B. was war für dich jetzt die wichtigste Erkenntnis in diesem Video/ Modul? Welche Möglichkeiten hast du, XY in deinem Alltag anzuwenden? Welche Erfahrungen hast du bisher mit XZ gemacht? Was hat gut geklappt/ was nicht?)
  • Gib ihnen gezielte Aufgaben (z.B. Schreibe dir die 4 wichtigsten Punkte des Videos in dein Workbook auf.  Mach dir beim durchlesen Notizen, wie XY bei deinem Thema aussehen könnte. Schreibe mir eine eMail mit deinen wichtigsten Erkenntnissen aus dem letzten Modul. )
  • Lass sie an Beispielen üben. (z.B. In diesem Text siehst du ein Beispiel für einen Newsletter. Was ist an dem Beispiel gelungen umgesetzt? Was würdest du verbessern? Wo siehst du Probleme?)
  • Biete ihnen die Möglichkeit an, Lerntandems / Lern-Buddies zu werden. (Dazu reicht einfach schon eine eMail an dich und du teilst dann die Gruppen ein.)
  • Gib ihnen ggf. die Möglichkeit, sich in einem Kursforum auszutauschen. Dort kannst du auch immer wieder zu jedem Modul Diskussionsfragen rein stellen oder Nachdenk-Impulse geben, damit sie in den thematischen (!) Austausch kommen.
  • Verwende klare Call-To-Actions. Sage ihnen, was sie an welcher Stelle des Kurses tun sollen und wie sie das anwenden/ umsetzen können.

So hilft das den Lernenden

Damit hilfst du Lernenden dabei, dass sie  den Online-Kurs nicht einfach nur konsumieren, sondern sich aktiv mit den Inhalten auseinandersetzen und die Sachen auch anwenden.

Es hilft auch dabei ins TUN zu kommen, wenn sie sich eine feste Zeit für den Onlinekurs im Terminkalender einzutragen – und zwar nicht nur dafür, die Inhalte anzuschauen, sondern auch für die Sachen anzuwenden.

Du kannst sie dabei unterstützen, indem du ihnen sagst, wie viel Zeit sie etwa dafür einplanen sollen.

(Hier gilt: weniger ist mehr. Statt einmal im Monat ein Wochenende, lieber pro Woche 1-2 Stunden. Sich immer wieder mit einem Thema zu beschäftigen hilft auch dabei, etwas langfristig zu behalten und in den (Arbeits-)Alltag zu integrieren. )



Beispiele für die verschiedenen Stufen des ICAP Modells:

Damit du ein Gefühl dafür bekommst, wie verschiedene Lernaktivitäten nach dem ICAP Modell einzuordnen sind, findest du hier ein paar Beispiele:


Passive Lerntätigkeiten 

  • Ein Video anschauen
  • Einem Vortrag zuhören
  • Eine Grafik anschauen
  • Einen Text durchlesen
  • Einen Podcast anhören

Aktive Lerntätigkeiten 

  • Mitschreiben
  • Sich Notizen machen
  • Etwas in einem Text markeiren
  • Etwas aus einem Text herausschreiben

Konstruktive Lerntätigkeiten  - wenn die Lerntätigkeit über Reproduktion und Organisation von Informationen hinausgeht

  • Zusammenhänge herstellen
  • Etwas anwenden
  • Etwas auf eine ähnliche Situation übertragen
  • Eine Zusammenfassung schreiben
  • Verschiedene Grafiken/ Texte vergleichen
  • Beispiele Analysieren

Interaktive Lerntätigkeiten – das Lernen mit anderen zusammen

  • Gemeinsam über ein Problem sprechen/ diskutieren
  • Fragen stellen und beantworten
  • Jemandem was erklären
  • Feedback geben
  • Argumentieren
  • Zusammen eine Lösung/ Idee entwickeln
  • Beispiele besprechen/ einschätzen


Welche (inter)aktiven oder konstruktive Lernaktivitäten fallen dir für deinen Onlinekurs ein?

Schnapp dir am besten direkt Zettel und Stift oder leg dir eine Tabelle an!

(Na, was denkst du: ist das eine passive, aktive, interaktive oder  konstruktive Tätigkeit 😉 )



Wenn du schon einen fertigen Online-Kurs hast:

Du kannst überprüfen, welche passiven, aktiven, konstruktiven und interaktiven Elemente du bisher in deinem Online-Kurs verwendest.

Wenn du deinen Online-Kurs das nächste Mal überarbeitest, kannst du darauf schauen, wie du deine Kursteilnehmer*innen noch besser bei der Umsetzung und Anwendung der Lerninhalte unterstützen kannst.

Dafür kannst du bewusst mehr aktive, konstruktive oder ggf. interaktive Elemente in deinen Kurs einbauen.

Wenn du beim Lesen dieses Blogartikels gleich ein paar Ideen hattest, schreib sie dir am besten sofort auf. Vielleicht lassen sich ein paar davon auch schon im nächsten Kursdurchgang mit aufnehmen.


Tipp

Die Infos aus dem Artikel kannst du auch für deine Webinare verwenden.

Wenn die Teilnehmer*innen (inter-)aktiv mit dabei waren, dann behalten sie dich und das Thema, besser in Erinnerung.


Das Wichtigste aus diesem Artikel:

  • Informationen werden von unserem Gehirn unterschiedlich tief verarbeitet
  • Das ICAP Modell gibt eine Antwort auf die Frage: Warum bleiben manche Sachen besser im Gedächtnis als andere.
  • Es gibt passive, aktive, konstruktive und interaktive Lernaktivitäten
  • Damit deine Inhalte besser im Gedächtnis bleiben, verwende in deinen Onlinekursen, Workshops, Webinaren oder Seminaren nicht nur passive Lerntätigkeiten, sondern bringe deine Lernenden ins TUN.

Quellenangaben für das ICAP Modell:

Michelene T. H. Chi & Ruth Wylie (2014) The ICAP Framework: Linking Cognitive Engagement to Active Learning Outcomes, Educational Psychologist, 49:4, 219-243, DOI: https://doi.org/10.1080/00461520.2014.965823

F. Fischer, I. Kollar: Lehren und Unterrichten  in: D. Urhahne, M. Dresel, F. Fischer (Hrsg.), Psychologie für den Lehrberuf (2019), https://doi.org/10.1007/978-3-662-55754-9_17

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